Ich habe lange überlegt, die aktuelle Situation in meinen Blog aufzunehmen.
Beim Fokussieren auf die individuellen Themen, die meinen Fashionblog und Instagram-Feed besonders machen, wollte ich private Angelegenheiten eher außen vorlassen.
Nun habe ich mich dazu entschlossen, meinen Blog auf einer emotionalen Ebene wiederzubeleben und möchte künftig einige Themen behandeln, die mehr mit dem echten Leben und seinen Höhen und Tiefen zu tun haben.
Vorgeschichte
Meine Zwillingsschwester und ich sind mit unserer alleinerziehenden Mutter in Berlin aufgewachsen. Wir hatten eine wirklich tolle Kindheit und waren stets der Mittelpunkt in ihrem Leben.
Zum 10. Geburtstag erhielten wir eine Geburtstagskarte unseres Opas väterlicherseits, die uns unsere Mutter nicht vorenthalten hat – sie hat immer offen mit uns über alles gesprochen, auch was die Geschichte unseres Vaters betraf. Wir waren jedoch noch zu klein, um zu verstehen, dass eine uns quasi fremde Person gern Kontakt aufnehmen möchte. Das hat uns Angst gemacht, da wir ohnehin eher schüchterne Kinder waren. Also verlief das Ganze im Sande und wir haben nie wieder etwas von unserem Opa gehört.
Als ich ca. 14 Jahre alt war, wurde das Bedürfnis, die andere Seite meiner Familie kennenzulernen so groß, dass ich mich entschloss, mit der Suche nach meinem Vater zu beginnen. Zu dieser Zeit gestaltete sich jedoch die Recherche alles andere als einfach und es war kompliziert, überhaupt relevante Informationen über ihn zu finden. Was ich jedoch zu hundert Prozent wusste, war sein vollständiger Name, dass er seit einiger Zeit in Hong Kong lebt und in der institutionellen Finanzbranche tätig ist.
Mit der Zeit entwickelte sich dieses Bedürfnis nach Gewissheit zu meinem größten Wunsch, also meinen Vater zu finden.
Heute sind wir 27 Jahre alt.
Leider erhielt unsere Mutter im März dieses Jahres eine schreckliche medizinische Diagnose, was die Familie völlig aus der Bahn geworfen hat. Gleichzeitig hat es mich aber auch darin bestärkt, alle Mittel und Wege zu nutzen, meinen Vater ausfindig zu machen…mit Erfolg.
Der Tag, der mein Leben verändert hat, Teil 1
Es war ein ganz normaler Tag, an dem ich am Computer saß und mal wieder recherchierte.
Einige Punkte seines Lebensweges waren mir ja bereits bekannt und darauf aufbauend, konnte ich nach und nach mehr Informationen über ihn herausfinden. Schliesslich wurde ich am 25. Juni 2019 auf eine Firma mit Sitz in New York aufmerksam, für die er laut Angaben im Internet gearbeitet haben soll oder womöglich sogar noch arbeitet. Jedoch konnte ich ja nicht einfach dort hinfliegen, an die Tür klopfen und fragen „How you doin, does my dad work here?“. Was ich aber hatte, war die allgemeine Email-Adresse dieser Firma.
Um auf Nummer Sicher zu gehen, dass die Mail auch meinen Vater erreichen würde, verfasste ich einen prägnanten Text und habe die Mail unter Verwendung einer englischen Betreffzeile mit der Bitte um Weiterleitung versandt.
Abgesendet! – Ich fühlte mich erleichtert und war trotz der niedrigen Wahrscheinlichkeit einer Antwort optimistisch.
Da ich jedoch nicht wusste, was mich erwartete und was dieser Kontaktversuch zur Folge hat, habe ich meiner Familie vorerst nichts erzählt und mich nur meinem Freund anvertraut. Ich konnte die folgenden Stunden an nichts anderes mehr denken und ertappte mich immer wieder dabei, mein Email Postfach zu aktualisieren.
Der darauffolgende Abend
Es war die heißeste Sommerwoche in Berlin und demnach auch abends noch sehr warm. Ich entspannte zum Feierabend mit einem kühlen Drink auf dem Balkon, um den Sonnenuntergang zu genießen. Zum gefühlt 87. Mal öffnete ich meinen Posteingang auf meinem Handy und konnte erst meinen Augen nicht trauen: da war sie – eine Antwort von meinem Vater!
Ich zitterte am ganzen Körper und stellte mein Getränk ab. Er schrieb, dass er sich über meine Nachricht sehr gefreut hat und sich gern in Berlin mit mir treffen möchte. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was in diesem Augenblick in mir vorging. Mir kam es vor, als wäre ich in Trance. Nach all den Jahren, war das der erste echte Kontakt zu meinem Vater, der anscheinend am anderen Ende der Welt lebt – unglaublich! Es hat mich ein Glücksgefühl überkommen, welches ich noch nie zuvor gespürt habe.
Ich stürzte ins Wohnzimmer, wo mein Freund am Laptop saß und verriet mich vermutlich durch mein tränenverschmiertes Gesicht, da er sofort fragte: „Hat er dir geantwortet?“
Nachdem er ebenfalls die Nachricht gelesen hatte, setzten wir uns gemeinsam auf den Balkon. Mir fiel auf, dass er meine Euphorie zwar nachvollziehen, jedoch nicht wirklich teilen konnte. Ich fragte ihn, was ihm durch den Kopf geht und was er von der Antwort hält. Es war ihm offensichtlich unangenehm, meinem Schwall der Freude mit seinen Bedenken zu begegnen, jedoch war mir wichtig zu erfahren, was er denkt. Ihn wunderte, dass nach 27 Jahren ohne Kontakt nur eine Email notwendig war, ihn dazu zu bewegen, nach Berlin zu fliegen und dort seine Töchter kennenzulernen. Er hatte damit nicht Unrecht, ein wenig seltsam war das schon. Wir beide vereinbarten, mit einer gewissen Vorsicht an die Sache heranzutreten, einfach, um uns zu schützen.
Nun stellte sich jedoch auch schon die nächste wichtige Frage – Sollte ich meiner Familie davon berichten?
Eine Woche später…
Seit Beginn der schweren Krankheit meiner Mutter bin ich oft bei ihr und begleite sie regelmäßig zu wichtigen Krankenhausterminen. Ich versuche, alle ihre Wünsche zu erfüllen und ihr das Gefühl zu geben, sich immer auf mich verlassen zu können.
Als Mutter hat sie natürlich sofort beim nächsten Zusammensein gemerkt, dass etwas nicht stimmt und dass etwas passiert sein muss. In meinem Kopf drehte sich jedoch alles nur um eine Sache: „Du musst deine Familie schützen. In letzter Zeit ist zu viel passiert. Eine Enttäuschung kann sie jetzt nicht ertragen.“
Nach einigem Rumgedruckse wollte sie jedoch wissen, was los ist und stellte mich zur Rede. Als ich ihr erzählte, was ich in den letzten Wochen und Monaten unternommen habe, um unseren Vater zu finden, konnte sie das erst gar nicht fassen. Sie hätte im Traum nicht daran geglaubt, dass der Kontakt zu unserem Vater irgendwann mal zustande käme würde. Meine Mutter hat sich jedoch wirklich sehr für mich gefreut. Sie hat mich aber auch ihren Beschützerinstinkt spüren lassen. Natürlich, sie ist Mutter! Gleichzeitig erzählte sie mir noch einmal die Geschichte, wie die beiden sich kennengelernt haben und in welcher Beziehung sie zueinander standen.
Ich fragte sie um Rat, wie ich darüber mit meiner Schwester reden soll, die bis dato auch nichts von alledem wusste. Unsicherheit und Ungewissheit plagten mich, wie sie die neue Situation wohl aufnehmen würde.
Meine Mutter machte unmissverständlich deutlich, dass ich auf jeden Fall meine Schwester darüber in Kenntnis setzen muss, was passiert ist. Mit allem, was in den letzten Wochen und Monaten passiert ist, hatte ich völlig den Blick dafür verloren. Mir wurde schnell wieder klar, dass ich meiner Schwester die gleichen Chance und Startposition für das erste Treffen ermöglichen muss, immerhin ist es genauso ihr Vater. Im Nachhinein schäme ich mich sogar ein wenig dafür, nicht gleich so gedacht zu haben.
Die Reaktion meiner Schwester
Am selben Tag habe ich am frühen Abend mit meiner Schwester telefoniert und wollte mit ihr ein Treffen vereinbaren, sodass wir ungestört unter vier Augen sprechen können. Mein Ziel war es, ihr die ganze Sache schonend beizubringen. Jedoch wollte sie sofort wissen, worum es geht (von wem sie das wohl hat…). Schlussendlich musste ich ihr die Neuigkeiten also am Telefon mitteilen.
Zuerst war sie sprachlos. Kurz darauf kam mir ein lautes Kichern und Freudestrahlen am Telefon entgegen. Sie war voller Euphorie und konnte es überhaupt nicht fassen.
Unsere Aufregung hielt bis zur letzten Sekunde vor dem Treffen an…
Vielen Dank fürs lesen und bis bald!
Eure Victoria